12. Ritterspektakel
23. – 25. Juni 2017
Alle zwei Jahre – seit 2015 in den ungeraden Jahren – findet am Fuß der Burg Weißenstein bei Regen im Bayerischen Wald das Ritterspektakel statt. Mit dieser Veranstaltung wird an die Eroberung der Burg Weißenstein im Jahr 1468 durch Truppen des Herzogs von Bayern im Zuge des Böcklerkrieges erinnert.
Nachdem in den Jahren 2012 und 2014 die Nachstellung des Kerns der Veranstaltung wegen „Unbespielbarkeit des Platzes“ nach Dauerregen nicht stattfinden konnte und die reisenden Mittelalterreporter 2015 nicht anwesend waren, gab das warme und trockene Wetter der Tage vor der Veranstaltung dieses Mal berechtigte Hoffnung darauf, dass Karfunkels Herolde 2017 Zeuge der Schlacht um Weißenstein werden konnten.
Die sehr hohen Temperaturen und die anhaltende Trockenheit der Tage vor dem Spektakel hatten allerdings auch für die Auslösung der höchsten Waldbrandgefahrenstufe gesorgt. In der Nacht vor Beginn der Veranstaltung hatte es ein leichtes Gewitter gegeben, das aber weder sehr viel Regen noch einen massiven Temperatursturz gebracht hatte. In Anbetracht dieser Umstände war es für den Veranstalter ein Spagat zwischen mittelalterlichem Ambiente und Gefahrenabwehr, was die üblichen Lagerfeuer betraf, die von den Gruppen auch zum Kochen genutzt werden. Von der abendlichen Feuershow gar nicht zu reden. Das Ritterspektakel findet auf der Wiese unterhalb der Burg statt, die am Waldrand liegt …
Das Weißensteiner Ritterspektakel gehört zu den wirklich erschwinglichen Veranstaltungen dieser Art. 5 € Eintritt für alle 3 (!) Tage für Erwachsene (Kinder frei), das ist wirklich sehr günstig, aber nur möglich, weil sowohl die Stadt Regen, zu der Weißenstein gehört, als auch ein großer Teil der in der Stadt ansässigen Firmen das Ritterspektakel sponsern.
Josef “Sepp” Niedermeier bei der Gästebegrüßung
Am Freitag, den 23. Juni 2017 begann das Spektakel mit dem traditionellen Anschuss um 17.00 Uhr. Dieses Mal wurde – anders als in den Jahren 2012 und 2014 – keine kleine Kanone verwendet, sondern Hakenbüchsen, die zu den ersten Handfeuerwaffen der Geschichte gehören und zu der Zeit, als Weißenstein samt seiner Herrschaft dem Herzog von Bayern-München ein Dorn im Auge war, modernste Waffentechnik waren. Josef Niedermeier, 1. Vorsitzender der Freunde der Burganlage Weißenstein e.V. (auch Burgfreunde genannt) eröffnete mit der Begrüßung der Gäste – mit besonderer Erwähnung einer gewissen Pressevertreterin –, der Gruppen und Händler das diesjährige Ritterspektakel.
Mit 37 Lagergruppen und ebenfalls 37 Markthändlern, die für wirklich jeden mittelalterlichen Geschmack etwas boten, war diesjährige Veranstaltung größer als je zuvor. Selbstverständlich hatte die örtliche Brauerei wieder das exklusiv für das Ritterspektakel hergestellte leicht dunkle Spektakelbier gebraut, das die Burgfreunde ebenso exklusiv im eigenen Wirtszelt ausschenkten.
Der Gaukler Svend von den Goselagern (li) und der wandernde Hannes (re.)
Nach üblen Erfahrungen im Jahr 2015 mit Gästen, die dieser besonderen Gerstenkaltschale gar zu sehr zugeneigt waren, war beim 12. Ritterspektakel professionelle Security da, um für Sicherheit zu sorgen. Sicherheitsaspekte haben auch zum Rucksackverbot geführt.
Zu den Künstlern, die das Publikum mit ihren Darbietungen erfreuten, gehörten erneut die Gaukler der wandernde Hannes und Svend von den Goselagern, aber auch die Mittelaltermusikgruppen Nostri Farrago, Eichelheer und Inter Nos sowie die Tanzgruppen Aruna Mystica und die Amici Castelli, die Tanzgruppe der „Burgfreunde“.
Die Mittelalterband Nostri Farrago auf dem oberen Burghof
Das Problem der Lagerfeuer wurde damit gelöst, dass die Gruppen zum größten Teil Feuerschalen auf Standfüßen verwendeten oder Feuergruben bis deutlich unterhalb der Graswurzeln aushoben, die ein Übergreifen des Feuers auf das umgebende Gras verhinderten. Bei einer Gruppe wäre es dennoch beinahe schiefgegangen, weil die Feuerschale Luftlöcher direkt über der Grasnarbe hatte. Der beginnende Grasbrand konnte aber mit „Lagermitteln“ (Wasser aus der Wasserkanne) gelöscht werden.
Die Feuershow der Lagerguppe Batavis Gladii ist seit Jahren fester Bestandteil des Abendprogramms. Auch hier wurde eine Lösung gefunden, die die Darbietung der Gruppe trotz der erheblichen Waldbrandgefahr möglich machte.
Die Damen der Tanzgruppe Aruna Mystica vor zahlreichem Publikum
Am Samstag, den 24. Juni 2017 konnten wir endlich das sehen, was uns 2012 und 2014 verwehrt geblieben war: die Schlacht um Weißenstein. Nach dem Einzug aller Lagergruppen, Begrüßung der Ehrengäste, dem Dank an die Sponsoren und der Tanzvorführung von Aruna Mystica traten die Recken dazu an. Vor der Burg gruppierten sich die Weißensteiner, um ihre Burg zu verteidigen, die Truppe des Herzogs formierte sich zwanzig Meter gegenüber. Josef Niedermeier präsentierte dem Publikum zunächst den historischen Hintergrund des herzoglichen Zorns gegen Hans IV. von Degenberg, der 1468 Burgherr von Weißenstein gewesen war (siehe auch den Artikel zum Böcklerkrieg in Karfunkel Combat Nr. 9, 2013) und die anderen Böckler.
Die tapferen Recken von Weißenstein formieren sich zur Schlacht um Weißenstein
Nach den Fanfarenstößen der Vejdacher Fanfaren stellte der Herzog seine (unberechtigten) Forderungen, die der Hauptmann Weißensteins in Abwesenheit des Hausherrn ablehnte. Nach verbalem Schlagabtausch ließ der Herzog seine Bogenschützen antreten, die die Weißensteiner mit einem Pfeilhagel überschütteten (Sicherheitspfeile mit schönen dicken Gummienden – Verletzungen sollten tunlichst vermieden werden), dann stürmten die Kämpfer aufeinander zu und lieferten sich ein wildes Gefecht. Wer sich von den Zuschauern die Rüstungsdetails und die Wappen der Schilde nicht gemerkt hatte, geriet schnell ins Hintertreffen, des Herzogs Männer und Weißensteiner voneinander zu unterscheiden. Die Weißensteiner wurden zurückgeschlagen
Der Feldscher und sein Gehilfe kümmern sich um die Verwundeten der Schlacht um Weißenstein
und zogen sich zur Burg zurück. Eine kurze Pause ermöglichte den Kämpfern, etwas zu trinken (bei der Wärme schlicht unerlässlich), dann folgte eine zweite Runde, die wieder mit gegenseitigen Schmähungen eröffnet wurde, denen wieder ein Pfeilhagel folgte, dann eine zweite Nahkampfrunde, an deren Ende die Weißensteiner wieder den Rückzug antreten mussten. Dieses Mal brauchten einige der Kämpfer die Hilfe des Feldschers, die zusammen mit dem Darsteller des mittelalterlichen Arztes eine schauspielerische Glanzleistung bei den Notoperationen ablieferten.
Der Weißensteiner Hauptmann fleht seine Herrin Elisabeth von Degenberg an, die Schlüssel zur Burg herauszugeben.
Bei der dritten Runde kamen dann auch die Hakenbüchsen zum Einsatz, die hier die Artillerie des Herzogs von Bayern-München repräsentierten. (Die Eroberung der Burg im Jahr 1468 gelang durch den ersten Einsatz von Artillerie auf bayerischem Boden – und das auch noch am 4. Dezember, dem Tag der heiligen Barbara, die auch Schutzpatronin der Artilleristen ist.) Nach einem erneuten Ausfall mussten sich die Weißensteiner endgültig geschlagen geben. Der Weißensteiner Hauptmann flehte seine Herrin Elisabeth an, die Schlüssel zur Burg herauszugeben …
Nach dem, was wir hier zu sehen bekamen, ist vollkommen verständlich, dass dies nur bei griffigem Boden möglich ist. Auf matschigem Grund ist das schlicht lebensgefährlich.
Der gut gefüllte Festplatz am Fuße der Burg Weißenstein
Je weiter der Tag voranschritt, desto voller wurde es. Gegen Abend waren an den beiden Wirtszelten fast kein freier Platz mehr, an allen Speiseständen und am Kassenhäuschen waren lange Schlangen. Ein voller Erfolg für den 1. Vorsitzenden des veranstaltenden Vereins, der sich sehr zufrieden zeigte.
Der dritte Tag, Sonntag, der 25. Juni 2017, begann wolkig, aber es war trocken und kühler als die beiden Tage zuvor. Die Veranstaltung begann um 11.15 Uhr mit dem Festgottesdienst im Gläsernen Wald mit Pfarrvikar Andreas Artinger, der in seiner durchaus niederbayerisch geprägten Predigt besonderen Bezug auf das Ritterspektakel nahm.
Danach ging es zum Festplatz unterhalb der Burg, wo die beim Weißensteiner Ritterspektakel seit Jahren aktive Gruppe Romantika aus Pilsen eine actionreiche Pantomime aufführten, die in Richtung Macbeth oder Game of Thrones wies.
Die Knappenschule der Tempelritter endet mit dem Ritterschlag für alle kleinen Ritter.
Die seit Beginn der Ritterspektakel in Weißenstein aktiven Ritter des Freien Ritterordens der Templer führten wieder ihre Knappenschule durch, die nach erfolgreichem Abschluss mit einem Ritterschlag für die kleinen Ritter endete.
Nach dem großen Umzug aller Lagergruppen um 14.00 Uhr, der vom Lagerbereich über die Straße und den Parkplatz rund um den Gläsernen Wald und unter der Burgbrücke hindurch zum Festplatz ging, führten die Damen von Aruna Mystica ihre Tänze vor, danach folgte wiederum die Schlacht um Weißenstein. Dabei zeigte sich, dass nur der Weißensteiner Hauptmann und der Herzog von Bayern fest vergebene Rollen sind, denn zahlreiche Mitwirkende wechselten die Seiten. Wer Samstag noch tapfer Weißenstein verteidigt hatte, stand am Sonntag auf des Herzogs Seite – und umgekehrt. Für die Zuschauer verbesserte der Seitenwechsel nicht gerade die Übersicht.
Einzug auf dem Festgelände nach dem großen Umzug aller 37 Lagergruppen rund um den Gläsernen Wald.
Verbales Vorgeplänkel, Pfeilhagel, wilde Keilerei, Trinkpause – und auf zur zweiten Runde. Doch während am Samstag die Blessuren nur gespielt waren, blieb am Sonntag einer der Kämpfer unplanmäßig liegen. Der Umstand wurde von den anderen Mitwirkenden rasch erkannt, die einen Sichtschutz um den Verletzten bildeten. Die Rot-Kreuz-Helfer, die anwesend waren, leisteten Erste Hilfe, ein Krankenwagen wurde gerufen und der Verletzte schließlich vorsichtshalber ins Krankenhaus gebracht. Nach Auskunft des Veranstalters war es eine reine Vorsichtsmaßnahme. Einer der Mitkämpfer teilte auf Anfrage mit, der Verletzte sei wohl übermotiviert gewesen, habe einen Gegner angesprungen, der sich mit der Schwerthand geschützt habe. Die Parierstange des Schwertes sei durch den Sehschlitz des Helms gedrungen und habe den Verletzten unter dem Auge getroffen. Glück im Unglück. So etwas kann buchstäblich ins Auge gehen. Konsequenterweise wurde die letzte Runde abgesagt. Ein Verletzter genügte wirklich.
Das noch bessere Wetter als am Samstag lockte noch mehr Gäste nach Weißenstein als am Samstag, insbesondere noch mehr Familien mit Kindern, die sich auf dem vom (in Weißenstein ohnehin geringen) Straßenverkehr abgetrennten Festgelände auch gründlich austoben konnten. Die Händler, die rittermäßiges Holzspielzeug verkauften, müssen die Geschäfte ihres Lebens gemacht haben, wie sich zwanglos an den Unmengen von Schwertern, Dolchen, Äxten, Bögen und Armbrüsten in Spielqualität zeigte, die von den Kindern in weltvergessenem Spiel benutzt wurden.
Die Gruppen, die auf dem Platz vor der Zeltbühne ihre Darbietungen gaben, ließen sich von den Kindern, die während der Vorführungen durch sie hindurch wirbelten, aber ebenso wenig ablenken, wie die Kinder sich von den Darbietungen nicht in ihren Spielen beirren ließen. Es ist zum Glück gutgegangen.
Die Tanzgruppe Amici Castelli von den Burgfreunden Weißenstein
Die wirklich großartige und auch humorvolle Aufführung der Gruppe Claymore, die die Eroberung Englands 1066 durch Wilhelm den Eroberer aufs Korn nahm, ging in dem Getümmel leider ebenso wie der Abschlusstanz der Amici Castelli ein wenig unter.
Dank des dieses Mal ganz und gar nicht typischen Weißensteiner Wetters konnte das Ritterspektakel bis zum planmäßigen Abschluss um 18.00 Uhr gehen und musste nicht – wie 2012 und 2014 – vorzeitig abgebrochen werden.
Möge das drei Wochen nach Pfingsten Anno 2019 anstehende 13. Weißensteiner Ritterspektakel unter ebenso guten Sternen stehen wie die 12. Ausgabe 2017.
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